Über Einvernehmlichkeit

Für ein gelungenes und befriedigendes Erleben im BDSM und natürlich auch allen anderen sexuellen Interaktionen ist es absolut unabdingbar, Klarheit und Einvernehmlichkeit zwischen allen Handelnden herzustellen. Andernfalls hat man man bestenfalls am Ende nur Unzufriedenheit produziert, oder ist im schlimmsten denkbaren Fall übergriffig und hat die persönlichen Grenzen verletzend gehandelt, hat körperliche oder seelische Verletzungen verursacht, und sich letztlich strafbar gemacht. Bedenke, so ziemlich alle Handlungen im BDSM-Kontext erfüllen objektiv den Straftatbestand der Körperverletzung, und sind lediglich aufgrund vorheriger und fortbestehender Einwilligung in die jeweilige Handlung straffrei gestellt. Genauso oder ähnlich verhält es sich im Grunde mit jeder sexuellen Handlung. Aus diesem Grund holen wir uns das Einverständnis eines oder einer potentiellen Partner:in für eine geplante Aktion ein. Dabei gelten folgende Grundsätze:

1. Frage den oder die potentielle Aktionspartner:in in klaren Worten, ob sie mit dir in eine Interaktion treten möchte, und vor allem respektiere ohne wenn und aber, wenn die Antwort ein Nein ist.
2. Sowieso: Nein heißt Nein. Immer! Wirklich absolut immer!
3. Nur Ja heißt Ja: Alle Beteiligten haben klar “Ja” gesagt? Wie schön, dann kann es ja endlich losgehen!
4. Nein, noch nicht ganz! Ihr habt da die Details vergessen. Besprecht, was ihr miteinander tun und erleben wollt, was euer Erleben ausmachen soll, und vor allem, was und wo eure Grenzen und Tabus sind!
Abhängig davon, wie vertraut ihr vielleicht miteinander seid, muss dieses Gespräch mehr oder weniger ausführlich sein, damit die ganze Sache nicht doch am Ende in die Grütze geht. Ob ihr im Vorfeld alles im Detail besprecht (“Inclusive oder Opt-in Consent”), ob alles passieren darf, was nicht vorher klar ausgeschlossen wurde (“Exclusive oder opt-out Consent”), oder ob ihr “in scene” (nach-)verhandelt, ist eurer persönlichen Vorliebe und vielleicht dem Umstand, wie gut ihr euch bereits kennt, überlassen. Der klare Vorteil der vorherigen Verhandlung ist – wenn ihr es richtig gemacht habt – ihr seid weitestgehend sicher! Zumindest, solange ihr euch an euren “Fahrplan” haltet.
Der klare Nachteil ist: Das Verhandlungsgespräch ist dann mitunter sehr lang, ausufernd und vielleicht auch etwas ermüdend, wenn ihr alle Details regeln wollt. Ich persönlich finde, es nimmt auch viel Spannung und potentielle Dynamik aus dem Spiel. (Meinung!)
Der große Nachteil der “in scene”-Verhandlung ist, man muss sich gerade als aktiver Part immer wieder rückversichern! Man muss sich vor allem auch der Tatsache bewusst sein, dass der oder die Partner:in im Hormonrausch Handlungen quasi akzeptiert, die im Nachhinein eventuell doch als grenzüberschreitend wahrgenommen werden könnten. Hier ist der aktive Part dann mitunter wieder ganz schnell auf rechtlich dünnem Eis. Und: Man muss darauf vorbereitet sein, dass man irgendwann mitten in der Interaktion plötzlich vor einem “Nein” steht, und dann muss man eben damit umgehen können.
Überhaupt: Safewording! Vereinbart Safewords, vor allem, wenn ihr euch noch nicht gut kennt, und benutzt diese auch. Auch wichtig und gerne vergessen: Auch Tops können und dürfen safeworden! Safeword kann und darf letztlich so ziemlich alles sein, solange ihr euch hinterher im größten Rausch auch noch daran erinnern und es benutzen könnt. Gängig ist z.b. der Ampel-Code, wobei ich ehrlicherweise “grün” noch nie in der freien Wildbahn gehört habe. “Gelb” signalisiert üblicherweise, dass Mensch sich einer persönlichen Grenze nähert. Hier ist es klug, Gas aus den Handlungen zu nehmen und ggf. eine Pause einzulegen. “Rot” signalisiert, dass eine Grenze erreicht oder schlimmstenfalls überschritten wurde. Die Aktion ist hier abzubrechen oder mindestens zu pausieren (Erfragen oder vorher klar festlegen!). Auch hier gerne prüfen, ob das Spiel nicht insgesamt zu beenden ist.
Anerkannter Standard als Safeword ist “Mayday”. Ein Mayday ist grundsätzlich und immer von jedem zu beachten. Ein Mayday beendet jede Aktion sofort.

Sicherheit
“Das Leben ist mit Sicherheit lebensgefährlich.” Mit dieser Phrase möchte ich kurz zwei, drei Worte zu den verschiedenen gängigen Sicherheitskonzepten im BDSM verlieren. Das mit Sicherheit 😉 gängigste Konzept ist SSC – Safe, Sane und Consensual. Ich kritisiere dieses Konzept übrigens, und das aus mehreren Gründen:
Safe: Welche Praktik im BDSM ist denn bitte wirklich sicher? Ganz ehrlich, in die Grütze gehen kann grundsätzlich immer alles. Und je mehr wir uns hoch droben auf dem Gipfel des Mount Stupid in Sicherheit wiegen, desto eher wird etwas in die Grütze gehen!
Sane: Vernünftig? Ist es vernünftig, mit Stöcken oder drei Meter langen geflochtenen Peitschen auf Menschen einzuschlagen, die uns gar nichts getan haben? Die wir womöglich lieben? Ist es vernünftig, einen Menschen mit ein paar Metern Juteseil ein bis zwei Meter über dem Boden aufzuhängen? Ich wage mal die Behauptung, ungefähr 97% der Bevölkerung wird ersteinmal sagen, dass das definitiv nicht vernünftig ist! Also wer bitte legt hier den Maßstab von “sane” fest?
Consensual: Nun, siehe oben. An diesem Punkt gibt es nichts zu rütteln. Alles, was wir tun, tun wir aufgrund vereinbarter Einvernehmlichkeit. Oder wir tun es eben nicht!
Wenn man aber SSC so liest, dass man sich ganz sicher auf die Handlungen beschränkt, die man gut beherrscht, wo man weiß, was zu tun ist, wenn etwas schief geht, dann kann man das Konzept guten Gewissens vertreten, und vor allem auch denjenigen Erklären, die ansonsten so gar nichts mit der Materie zu tun haben. 😉

Viel ehrlicher und verantwortungsbewußter sind da in meinen (unseren) Augen die Konzepte RACK (Risk Aware Consensual Kink) bzw. PRICK (Personal Responsibly Informed Consensual Kink). Diese Konzepte stellen vereinfacht gesagt heraus, dass es zum einen keine absolute Sicherheit bei Handlungen im BDSM (ich sage im Leben allgemein) gibt, man sich der vorhandenen Risiken bewusst sein, bzw. sich ausreichend über diese zu informieren hat, und man bitte für die Handlungen auch die Verantwortung tragen können muss. Andernfalls muss man eben diese Risiken vermeiden, sprich Handlungen unterlassen, deren Folgen man nicht absehen kann, und wofür man letztlich nicht die Verantwortung zu übernehmen bereit ist.
Was diese Konzepte nicht sagen, ist dass man unbedingt krassere Dinge tun muss, als diese verweichlichten SSCler. Aber man kann und darf natürlich.

CNC (Consensual Non-Consent) / Metakonsens – hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, und eigentlich kein wirkliches Sicherheitskonzept, sondern ein möglicher Stil der Einvernehmlichkeitsvereinbarung.
Besagt, dass mindestens ein Part (meist der Bottom-Part) im Vorfeld darin einwilligt, dass im weiteren Verlauf über die Einwilligung oder dem Entzug derselben, also letztlich auch über Grenzen und Tabus hinweggegangen werden kann (aber natürlich nicht muss). Ein safewording dabei ist in der Regel nicht Teil der Vereinbarung, also quasi unmöglich. Die daraus resultierenden Gefahren liegen auf der Hand, und müssen zwingend von allen beteiligten Personen billigend inkauf genommen werden, ansonsten ist dieses Konzept per se zum Scheitern verurteilt. Wer CNC vereinbart, sich aber hinterher beschwert, dass irgendwas schief gelaufen ist, hat das Prinzip nicht verstanden.

-> Handlungen im Metakonsens sind ziemlich sicher nicht angebracht auf größeren Partys und mit Menschen, die sich nicht gut kennen. Handlungen im Metakonsens führen auch ziemlich sicher auf in vielerlei Hinsicht dünnes Eis.
-> Wir bitten dringend darum, auf unseren Partys Handlungen im Metakonsens zu unterlassen, solange ihr euch und wir euch nicht mindestens wirklich sehr gut kennen!

Und nun viel Spaß im Casa Kuningas!

Christian

Stand: 10. August 2022