Es ist mal wieder an der Zeit für einen “Carrie-Bradshaw-Beitrag”…
In den vergangenen Tagen habe ich mit einer Menge Menschen so einige Gespräche über Beziehungen und natürlich auch Sex geführt. Dabei waren solche, die wirklich gut und – Achtung, Wortspiel! – befruchtend waren. Aber auch ein paar, wo ich mich einfach nur noch immer wieder an den Kopf gefasst habe, wie man auf dieser Basis eine Beziehung oder ein gesundes Sexleben führen kann. Gesund, oder anders ausgedrückt – normal. Aber was ist dieses normal denn schon eigentlich?
Als BDSMer gibt es genau zwei Möglichkeiten, Nicht-BDSMer zu bezeichnen: Vanilla und Stino, was eine Abkürzung für – naja – stinknormal ist. Ich bevorzuge den Begriff Vanilla. Dieser international verwendete Begriff steht halt für die weltweit angeblich am meisten konsumierte, weil leckere Eissorte. Die Bezeichnung “Stinknormal” empfinde ich hingegen als sehr abwertend.
Aber genau das zeigt uns ja eigentlich, dass “wir” BDSMer und “wir” non-Monogamisten uns selbst als nicht normal anzusehen scheinen. Und das, obwohl ich durchaus glaube, dass die Affinität zu Praktiken aus dem Formenkreis des BDSM in sehr viel mehr Menschen angelegt ist, als den meisten bewusst sein dürfte. Und auch obwohl die Zahl der Menschen in monogamen Zweierbeziehungen, wie sie in den meisten Kulturen “vorgeschrieben” sind, die ihrem Partner/in eben doch sexuell und/oder romantisch untreu sind, als gesichert exorbitant hoch anzusehen ist.
Feststellung: Die im Idealfall lebenslang monogame Zweierbeziehung ist also der gesellschaftlich akzeptierte Normalfall.
Aber ist das wirklich die Realität?
Wir haben da so ein paar Menschen in unserem näheren und erweiterten Freundes- oder Bekanntenkreis, die jemanden kennen, oder die mal für eine Freundin ein paar Fragen stellen. Ihr kennt das ja, Namen tun hier nichts zur Sache, und jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Menschen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt. Wenn ihr also meint, hier irgendjemanden wiederzuerkennen – nein!
Da wäre dann die Frau mit mehreren Kindern. Alleinerziehend, und aktuell ohne Lebenspartner. Da schau her, das gesellschaftliche Idealmodell hat also wieder einmal auf wundersame Weise nicht funktioniert! Was war passiert? Nun, kurz ausgedrückt, es lag (natürlich … nicht nur) am Sex. Die Kinder waren da, und des Erzeugers Interesse an seiner Frau schien komplett erloschen. (So eine ähnliche Geschichte kenne ich doch bis hierher noch irgendwoher, dünkt mir… War nur irgendwie anders herum, glaube ich… Aber ist lange her… Egal…)
auf jeden Fall war sein Interesse anscheinend nicht so furchtbar endgültig erloschen, denn er besorgte es sich außerhäusig, wie am Ende herauskam. Und natürlich, Männe wurde jetzt nicht unbedingt von der Gesellschaft geächtet (meines Wissens nach). Soweit, so [sic!] noch normal. Aber das ewig der Erbsünde verfallene Weib hatte unverschämterweise auch noch Lust. Und auch sie holte sich dann irgendwann woanders, was sie Zuhause nicht mehr bekam. Kennt ihr Cersei Lannisters Gang der Schande durch Königsmund? Ja, genau. Mehr muss ich nicht sagen, oder? Und im vertrauten Gespräch unter bis-dahin-noch-Freundinnen wurde sie gefragt, warum sie denn überhaupt noch Sex wolle. Sie habe ja schließlich ihre Kinder!
Normal? Anscheinend normal. In Norddeutschland im 21. Jahrhundert. Was, glaubt ihr, macht das mit einer ansonsten in jeder Hinsicht gesunden und im Leben stehenden Frau?
Eine andere junge Frau steht seit Jahren vor einem sehr vergleichbaren “Problem”. Ihr Göttergatte leidet ebenfalls an chronischer Unlust, und der eheliche Geschlechtsverkehr wird von Zeit zu Zeit nach langem Gemaule seinerseits gewährt. Die längste Phase der erzwungenen Abstinenz dauerte dann mal deutlich über zwei Jahre. Eine Begründung liefert er nicht, und eine Paartherapie wird von ihm natürlich auch verweigert. Macht sowas Spaß? Nein, ganz sicher nicht.
Eine weitere Person, auf die ich aus Gründen der Diskretion nicht näher eingehen kann, besorgt sich wiederum aus vergleichbarem Grund seit Jahren ebenfalls den Sex außerhalb des eigenen Hausstandes. Natürlich gänzlich ohne Wissen oder aktiven Einverständnisses des aktuellen Lebenspartners. Dieser Mensch verrennt sich dabei von gefühlt von einer emotionalen Katastrophe in die Nächste, nur um wenigstens ab und zu mal das Gefühl von körperlicher Liebe zu erfahren. Der Partner dagegen blockt alles ab. Möglich, dass sie/er/es von den Eskapaden ahnt, aber anscheinend besteht kein gesteigertes Interesse. Weder an den Eskapaden selbst, noch daran, etwas an der Gesamtsituation zu verändern.
Normal?
Und ja, ich könnte jetzt noch die eine oder andere ähnliche Beziehungskatastrophe anführen, aber das Grundprinzip dahinter ist immer vergleichbar.
Sehr schön dagegen war das Gespräch mit dem noch ziemlich jungen Paar, welches aus unserer Sicht genau den richtigen Weg eingeschlagen hat. Beide haben ihre Baustellen. Aber sie haben das erkannt, bearbeiten diese mit Hilfe, und lösen sich wohl aus der gesellschaftlichen Zwangsnormalität. Wir wünschen ihnen viel Energie und Durchhaltevermögen auf ihrem Weg! Denn den Gegenwind werden sie irgendwann zwangsläufig auch zu spüren bekommen. Hoffen wir, dass es nicht zu viel wird…
Ich frage euch, was ist jetzt normal? Wollen wir wirklich diese gesellschaftlich geforderte Normalität leben, nur damit der Nachbar in seiner moralischen Integrität nicht kompromittiert wird? Wollen wir wirklich diese toten, für alle Beteiligten toxischen Beziehungen leben, um den schönen Schein nach außen zu wahren? Oder wollen wir wirklich leben; uns ausleben? Auch wenn das bedeutet, dass es erst einmal für alle ziemlich unbequem wird? Auch wenn das bedeutet, dass ihr von der “normalen” Gesellschaft vielleicht danach geächtet werdet?
Eure Antworten interessieren mich!
Kommt Zeit, kommt Alter, kommt Weisheit…und die Erkenntnis, dass es in unserer „ach so modernen und fortschrittlichen Gesellschaft“ gern gesehen ist, wenn man seinem Partner Freiheiten lässt, ihn nicht einengt. Du darfst arbeiten was und wo du willst, du darfst deine eigenen Freunde haben(hoffentlich), du darfst klettern oder Tennis spielen, du darfst dich anziehen, wie du es magst. Alle sind so penetrant, betont tolerant….aber wehe es geht um Sex. Da ist sofort Schluss mit Toleranz, das darf und soll man bitte, für immer und ewig, nur mit einem Partner vollziehen(wenn man es denn vollzieht). Und warum? Mal ehrlich: bei den meisten ist es fehlendes Selbstbewusstsein, Verlustangst und Besitzanspruch (meine Meinung)
Aber hey: wo das klappt und beide -wirklich- zufrieden sind mit Monogamie, achtsam sind mit der Wahrnehmung der gegenseitigen Bedürfnisse und auch der sexuellen Befriedigung: alles gut.
Meine Umgebung spiegelt (meistens) etwas anderes.♀️
Aber mir liegt es auch fern über andere zu urteilen, nicht falsch verstehen.
Wenn man merkt, dass man sich im Kreis dreht, ist es an Zeit aus der Reihe zu tanzen. Alleine oder zu zweit.
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Ehrlichkeit und Offenheit sind für mich der Schlüssel.
Wie heißt es so schön: „lass uns reden, bis die Wolken wieder lila sind“
Eigentlich gibt es keine lila Wolken(nein, sind sie nicht), also eine schönes Synonym, um den Kontakt zum anderen nicht zu verlieren. Egal um welche Art der zwischenmenschlichen Beziehung es geht.
Über normal habe ich jetzt gar nichts gesagt, aber du wirst mich auch so verstehen.