Es gibt einfach Dinge, die ich wohl nie verstehen werde. Nationalstolz zum Beispiel. Nationalstolz führt für mich unweigerlich zu Nationalismus. Und von da aus ist es – für mich – immer nur ein kleiner Schritt zu Faschismus, Rassismus und Nazitum.
Eines meiner Lieblingszitate zu dem Thema findet sich auch hier irgendwo auf unserer Seite. Es ist von Schopenhauer:
“Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verräth in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen theilt. Wer bedeutende Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er Stolz seyn könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu seyn: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Thorheiten, die ihr eigen sind, (…) zu vertheidigen.”
Wie komme ich jetzt überhaupt darauf? Nun ja, Nationalismus und darüber hinaus scheint ja insgesamt in weiten Teilen der Welt und leider auch in Europa wieder sehr salonfähig geworden zu sein, um es vorsichtig auszudrücken. Nicole und ich waren heute in der Sauna. Genauer gesagt in der Holstentherme in Kaltenkirchen, wo wir im Winterhalbjahr eigentlich jeden Monat mindestens einmal einen Tag verbringen.
Was mir heute so ziemlich zum ersten mal bewusst aufgefallen ist, ist dass seit unserem letzten Besuch der Anteil der Gäste mit offensichtlichem Migrationshintergrund zugenommen zu haben scheint. So weit, so völlig ok. Sie alle fügten sich problemlos ins harmonische Miteinander ein. Eigentlich selbstverständlich und nicht der Rede wert, oder? Nur einer der Gäste ist mir dann doch unangenehm aufgefallen: Mitten auf seiner Brust prangte neben vielen anderen Tattoos ein relativ kleiner, aber unüberseh- und unverkennbarer polnischer Doppeladler! Warum um alles in der Welt lässt Mensch sich ein solch nationalistisches Symbol so prägnant auf die Brust tätowieren? Es geht einfach nicht in meinen Kopf! Wäre es ein Deutscher gewesen, der sich den Bundesgeier in ähnlicher Weise hätte stechen lassen, für so ziemlich jeden wäre klar gewesen, DAS kann nur ein Nazi sein! Zumindest aber ein aufRechter Patriot und Biodeutscher reinrassigster Aufzucht. Auf jeden Fall kein Mensch, den ich gerne in meinem Freundeskreis haben wollte. Und nun das. Es ist mir auch herzlichst scheißegal, ob es der polnische Doppeladler, der amerikanische Weißkopfpleitegeier, ein chinesischer Kommunistenstern, das arabische Scimitar oder der türkische Halbmond oder was auch immer für ein Nationalsymbol gewesen wäre. Ich finde es einfach unangemessen und gesellschaftsspaltend! Und niemand kann mir erzählen, es wäre ja “nur” ein Symbol seiner Herkunft, seiner Heimatliebe oder was für ein Bullshit auch immer. Diesen Erklärbären möchte ich am liebsten ins Gesicht brüllen “Und warum ist er dann nicht in seiner Heimat, die er doch so sehr liebt, dass er sich ihre Symbolik direkt und auf ewig in die Brust tackern lässt?
Und dann wird mir mein eigener subtiler Alltagsrassismus, der diesem Impuls innewohnt, bewusst. Und ich möchte das nicht. Ich möchte so nicht sein! Dennoch ist diese unaussprechliche Frage doch irgendwo berechtigt, oder nicht? Nationalismus und Rassismus sind keine deutsche Erfindungen. Nichtmal die der Weißen. Ich glaube inzwischen, es liegt zutiefst in der menschlichen Natur verwurzelt. Wir hier, “Die” da drüben. “Die da” sind anders! Anders ist fremd, fremd ist böse, böse darf nicht mit uns spielen, böse muss bekämpft werden! Blöd halt nur, dass die Anderen, die “Bösen” ganz genauso denken.
Wie um alles in der Welt wollen wir leben? Wollen wir wirklich immer weiter spalten? In einer Welt, die immer mehr, immer schneller kleiner wird? Oder wollen wir nicht vielleicht doch eher auf das schauen, was uns jenseits aller Nationalstaaten, jenseits aller Hautfarbe, jenseits aller Religion verbindet?
Also nennt mich einen hoffnungslosen Romantiker, aber ich wäre ja für verbinden statt für spalten. Nur braucht es dann keine Nationalsymbolik mehr. Gar keine…
Was denkt ihr darüber?