Neulich im Social Media…
Wir haben ja diese eine Freundin in der großen Stadt südlich von uns. Eigentlich ein Kind von Fröhlichkeit, Menschenliebe, unverbesserlichem Optimismus und ausgestattet mit der Fähigkeit, irgendwie immer wieder auf die Füße zu fallen und selbst in der größten Scheiße noch etwas positives zu sehen. Und: Sie ist im Showbusiness tätig. Das heißt, sie wäre im Showbusiness tätig, wenn wir nicht gerade zufällig seit über einem Jahr diese alles und jeden zermürbende Pandemie hätten. Ich kann mich noch wie gestern an unser Gespräch während unseres bislang letzten gemeinsamen Obstacle Run vor jetzt fast genau einem Jahr erinnern. “Was willst du eigentlich machen, wenn du irgendwann mal zu alt für die Bühne bist?”, habe ich sie gefragt. “Och, da mache ich mir keine Sorgen. Ich finde immer irgendwas, und außerdem habe ich ja auch etwas gelernt, und in dem Metier finde ich immer einen Job.”, so ihre Antwort. Überflüssig zu sagen, dass die Branche, in der sie ihre Ausbildung gemacht hat, nun auch von den Lockdowns wirklich hart getroffen wurde. Also erstmal nix mit Job.
Aber sie wäre halt nicht sie, wenn sie nicht dennoch etwas finden würde, womit sie sich über Wasser halten könnte. Und so hangelte die, die sich für nichts zu schade ist, von Job zu Job. Als die Künstlerin, die sie ist, gilt sie inzwischen als Person des öffentlichen Lebens, was ihr zudem noch den einen oder anderen Auftritt in den Medien bescherte. Alles trägt irgendwie dazu bei, dass das Leben einen Sinn behält, und dass der Kühlschrank irgendwie gefüllt bleibt. Inzwischen ist sie in einem der Impfzentren der Stadt tätig. Ein großartiger Job, der ihr auch ganz persönlich die Perspektive gibt, ganz aktiv an der Beendigung dieser beschissenen Lockdown-Situation mitzuarbeiten. Damit sie nämlich irgendwann, besser so schnell es geht, wieder ihren ganz eigenen Lebenstraum leben kann! Ich weiß jetzt noch nicht ganz genau, was da passiert ist und warum, aber sie muss sich vor wenigen Tagen auf einem ihrer öffentlichen Social Media-Kanäle zu einer nicht so ganz klugen Äußerung hinreißen lassen haben, in der sie Impfgegner und Impfverweigerer als egoistisch motiviert bezeichnete. Nun bekomme ich solche Dinge seit einiger Zeit nur noch sehr gefiltert mit, aber was mir Nicole da zwischenzeitlich so vorgelesen hat, was darauf auf ihrem “PdöL”-Profil so abging, das war schon echt harter Tobak! Und wenn man sonst nur gewohnt ist, von der eigenen Fanbase nur Liebe zu empfangen und gefeiert zu werde, dann mag einen das doppelt hart treffen, so denke ich mir. Mittlerweile hat sie den betreffenden Post gelöscht und scheint das Profil vom Sender genommen zu haben. Wie zu erwarten war, endete der Shit Storm nicht einfach, sondern verlagerte sich auf die anderen Kanäle. Wehe, wenn die Leerdenker und der konzertierte Hass im Internet erst einmal losgelassen! Denn inzwischen, so kann man den Eindruck gewinnen, sind es nicht mehr nur, sagen wir zweifelhaft gesinnte Menschen, die sich bislang als ihre Fans bezeichnet hatten, sondern der organisierte Empörungsmob der Impfgegner scheint sich zumindest teilweise auf sie eingeschossen zu haben. Wie sie so etwas nur sagen könne! Sie sei ja selbst nur egoistisch motiviert! Wie sie überhaupt nur für “das System” arbeiten könne! Wie sie nur das Impfen so propagieren könne! Und dergleichen harte Schwurblerscheiße mehr!
Liebe Eve – lass dir gesagt sein: Solche “Fans”, wenn sie je wirklich welche waren, brauchst Du nicht! Deine Arbeit ist wichtig, gibt Menschen, nicht zuletzt Dir selbst, Halt und Hoffnung und trägt, so hoffentlich zur Lösung des Problems ein bisschen bei. Mach weiter, die Menschen brauchen Dich!
Aber stellen wir uns doch mal die Frage nach dem Egoismus. Ist es wirklich egoistisch, andere Menschen zur Impfung zu ermuntern, damit, so ja der Vorwurf, (auch) das (eigene) Leben möglichst schnell wieder normal werden kann? Nun, abgesehen davon, dass ich stark bezweifele, dass die Lösung wirklich so einfach ist – Nein. Natürlich nicht! Eigentlich ist dieser Aufruf und der Wunsch dahinter im Grunde sogar höchst altruistisch, also das genaue Gegenteil von Egoismus, denn dieser Aufruf mag und soll dazu beitragen, dass weniger Menschen (stark) erkranken, dass “wir” im Gesundheitssystem weniger belastet und gefährdet werden (und somit mehr Ressourcen für “normale” Erkrankungen und Verletzungen bleiben), dass mehr Menschen schneller immun werden, dass weniger Menschen sterben, und diese wirklich frustrierende Zeit – hoffentlich – wirklich möglichst bald vorbei ist. Und selbst wenn es ein Ausdruck von Egoismus sein sollte, so ist mir dieser Egoismus doch weitaus lieber, als der, der in den Nullerjahren mit der “Geiz ist geil”- und “Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht”-Mentalität in die Köpfe der Menschen gepflanzt wurde. In diesem Sinne bin ich dann auch egoistisch. Und das sehr gerne!