Hellweek

Ich schreibe ja eigentlich ziemlich wenig über meinen (bzw. unserem Job). Aus guten Gründen, die sich z.b. Datenschutz und Schweigepflicht nennen. Zudem empfindet man vielleicht nach mehr als 25 Jahren die Dinge nicht mehr als so berichtenswert. Mag sein.
In der vergangenen Woche aber hat uns das Universum dann aber mal etwas mehr auf den Teller gelegt. Das ganze fing an mit einer jungen Frau und Mutter, die wir nahezu bewusstlos und hoch fiebernd auffanden. Möglicherweise ein verschleppter Infekt, und nein, es war kein Covid-19. Alles, was wir für sie taten, brachte wenig Besserung. Wir gaben sie in unverändertem Zustand im Krankenhaus in die Obhut der Intensivmedizin. Bonbon am Rande war, dass wir, obwohl wir uns so gut es noch ging vor einer eventuellen Übertragung von Keimen schützten, die Empfehlung einer antibiotischen Prophylaxe (und direkt die passenden zwei Ciprofloxacin 500) bekamen. Niemand nimmt das Zeug gerne, wenn man nicht unbedingt muss…
Tags darauf, eine noch jüngere Frau, die mit dem Verlust ihrer Mutter nicht fertig wurde, und einen eher typischen Hilferuf-Suizidversuch unternommen hatte. Diverse Tabletten aus der Hausapotheke. Nichts, womit man sich akut umbringen könnte; von Langzeitfolgen wie Leber- und Nierenschädigung einmal abgesehen. Aber dieses hilflose Bündel Mensch, welches sich auf diese Weise möglicherweise den Start ins weitere Berufsleben massiv ausgebremst haben dürfte, “nur” weil sie keine ausreichenden Strategien und Ressourcen für die Trauerbewältigung hatte, das ist der Stoff, der einen auch nach so vielen Jahren mitnimmt.
Nächster Tag, erste Nachtschicht. Einsatz zu einer schon bekannten Adresse. Einsatzmeldung Kollaps, beobachtet, nicht mehr ansprechbar, Atmung (noch) vorhanden. Nein, war sie nicht. Lebloser Mensch, in katastrophaler Lage aufgefunden. Bis wir den Menschen aus dieser Lage befreit hatten und mit den Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen konnten, vergingen weitere Minuten, und die räumliche Situation, die wir herstellen konnten, war trotzdem immer noch miserabel. Dementsprechend schlecht lief der weitere Einsatz ab. Die Details tun nichts zur Sache. Irgendwann hatten wir mit hohem Aufwand die Lebensfunktionen auf minimalem Niveau wiederhergestellt und konnten die Reise ins Krankenhaus antreten. Inwieweit wir dem Menschen (und seinem persönlichen Umfeld) damit einen Gefallen getan haben, lasse ich jetzt einmal dahingestellt. Im Krankenhaus angekommen, erfuhren wir aber ganz am Rande, dass man am Vormittag die junge Mutter von Tag1 hatte gehen lassen müssen. Eine Katastrophe für eine junge Familie, die ich mir nicht einmal im Ansatz in allen Facetten ausmalen möchte!
Tag 4, Nacht 2 brachte als Highlight dann eine weitere Familientragödie mit sich. Ein Paar, eigentlich gut situiert, in einer Trennungssituation. Wieder sind Kinder mit im Spiel. Der Vater in seiner Lebenssituation hilflos, psychisch erkrankt und mit einem Mehrfachsubstanzmissbrauch “gesegnet”, seine Noch-Frau trotz inzwischen vollzogener räumlicher Trennung sichtbar co-abhängig. Allein die Atemalkoholkonzentration dürfte für den Wochenrekord ausgereicht haben. Was wir machen konnten? Nicht viel. Manchmal besteht unser Job eben nur darin, Zeuge zu sein. Und Händchen zu halten.
Der Mensch aus Nacht 1 wurde bis zu diesem Zeitpunkt übrigens immer noch mit maximalem Aufwand am minimalen Leben erhalten. Noch…

Es ist Wochenende!

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